Hitze und Meer machen mich melancholisch. Das Flimmern in der Luft spiegelt sich als Flimmern in meinem Kopf. Der Blick wird erbarmungslos in die Ferne gelockt, dorthin, wo sich Wellen und Flimmern am Horizont küssen und meine von Sonne, Salz und Sand brennenden Augen zu Tränen rühren.
Das Geschrei der Möwen, das Geschrei der Kinder, der Geruch von Sonnencreme, Schweiß und warmen Bier betäuben meine Sinne. Der Seewind scheuert wie Schmirgelpapier über meine Schleimhäute, zerrt an meinem Haar und verstärkt das Flimmern in meinem Kopf.
Ich sehe Menschen lachen, spielen, baden – Menschen, die glücklich sind und Spaß haben. Ich fühle mich wie ein Zuschauer auf der anderen Seite der Mattscheibe. Ich fühle nicht, was sie fühlen. Ich fühle Sonnenbrand, Flimmern und Leere.
Diese Menschen haben Dinge. Sie haben Dinge erreicht. Freunde, Familie, einen Job, der ihnen Strandurlaub ermöglicht. Sie haben ein Ziel, eine Aufgabe im Leben. Sie haben irgendetwas, das sie erfüllt. Ich habe Sonnenbrand. Ich habe eine lange Liste gescheiterter Versuche. Ich habe keine Ahnung, wie das geht: zwischenmenschliche Beziehungen.
Ich habe Sehnsucht. Ich habe Sehnsucht nach dem Meer. Deshalb starre ich mit brennenden Augen in das Flimmern und lasse die Sonne immer tiefere Hautschichten verbrennen. Ich habe Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Diese Menschen haben einen Ort, an den sie gehören. Menschen, zu denen sie gehören. Sie sitzen am Samstagabend nicht allein auf dem Balkon und starren in die Ferne. Sie sitzen in den Ferien nicht allein am Meer und starren ins Flimmern.
Ich ertrage diese Menschen nicht mehr. Ich nehme das Fahrrad und fahre gen Süden, das Meer zu meiner Rechten. Das Wellenrauschen übertönt jetzt das Geschrei, der Geruch des Meeres überdeckt den Geruch von Sonnencreme, Schweiß und warmem Bier. Der Wind schmirgelt über meine Schleimhäute und zerrt an meinen Haaren, die an meiner verbrannten Kopfhaut zerren. Flimmern.
Ich sitze auf einem sonnenwarmen Felsen und sehe Wellen und Flimmern beim Knutschen zu. Ich lehne mich in den warmen Wind wie in eine warme Umarmung. Mir fällt auf, dass ich vergessen habe, wie sich eine warme Umarmung anfühlt, und plötzlich ist nichts mehr zum Anlehnen da. Mein getäuschtes Gleichgewichtsorgan lässt mich zusammenfallen wie eine Marionette, deren Fäden durchgeschnitten wurden. Schwindel. Flimmern. Sehnsucht.
Ich weiß nicht mehr, wann mich das letzte Mal jemand umarmt hat, ohne seine Erektion an meinen Hintern zu drücken. Ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal zugelassen habe, dass mich jemand umarmt, ohne dass eine Erektion das Ziel gewesen wäre.
Ich sitze im Seewind und atme Einsamkeit. Ich bin als Mensch unter Menschen gescheitert.
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