Die Sonne ist zurückgekehrt, der Wind ist gegangen, der Dunst ist geblieben. Blaulicht flackert am Strand. Discoflimmern. Schweiß sammelt sich unter meinen Brüsten. Sanitäter reanimieren ein Kind. Ein Menschenpulk hat sich gebildet, Polizisten drängen die Gaffer zurück. Ich blinzle aus der Ferne gegen die Sonne. Ich bilde mir ein, moralisch überlegen zu sein über den Pöbel. Dann muss ich selbst darüber lachen. Irgendwann geht das Blaulicht aus. Das Kind hat es wohl nicht geschafft. Das ist auch so ein saublöder Euphemismus.
Flimmern. Die Sonne brennt. Meine Haut löst sich in großen Lappen von meinem Körper. Ich starre aufs Meer und fühle Leere. Menschen haben richtige Probleme. Ich habe Selbstmitleid. Ich habe Bindungsangst. Ich habe Selbstmitleid wegen Bindungsangst.
Das Meer hat das Kind genommen und mich verschmäht. Es hat wohl Geschmack, denke ich und dann ist der Gedanke selbst mir zu zynisch. Die Frage bleibt: Warum wollte es mich nicht? Warum muss ich weitermachen, wenn ich es gar nicht will?
Menschen haben richtige Probleme und ich habe Selbstmitleid. Ich finde mich abstoßend. Meine Füße graben sich in den nassen Sand. Ich fühle mich, als würde mir jemand den Kopf unter Wasser drücken. Ein schweres Gewicht im Nacken. Dabei sind nicht einmal meine Knöchel unter Wasser. Ich atme tief ein, aber das Gewicht im Nacken bleibt. Flimmern. Am Horizont und in meinem Kopf. Der Dunst hebt sich langsam und teilt das Flimmern am Horizont in drei Abschnitte.
Die Flut schiebt das Wasser langsam meine Beine empor. Es ist kalt und erfrischend. Ich möchte mich ganz hineinlegen, um das klebrige Schweißgefühl abzulegen wie eine Reptilienhaut. Ich spüre den Druck des Gewichts im Nacken. Und kann dennoch weiter auf den Horizont starren. Ich will dem Gewicht nachgeben und lasse mich auf die Knie fallen. Das Wasser durchnässt meinen Rock und arbeitet sich an den Schenkeln nach oben. Hellrote Blutfäden werden von den Wellen gezwirbelt und in die Länge gezogen. Ich habe mir das Knie an einer Muschel aufgeschnitten.
Das Gewicht in meinem Nacken lässt sich nicht beirren. Es drückt weiter. Das Flimmern am Horizont rückt mit jeder Welle näher. Ich lasse die Hände ins Wasser gleiten und stütze mich schließlich mit ihnen im fließenden Sand ab, bis ich auf einen harten Gegenstand stoße. Ich ziehe ein Sandförmchen aus dem Schlick. Eine blaue Plastikschildkröte. Ein Kind hat sie verloren. Der Spaß ist vorbei. Ich denke an das tote Kind. Es wird nie mehr Spaß haben. Und ich heule, weil ich gerade keinen Spaß habe. Das Meer leckt an meinen Haarspitzen. Ich heule Salzwasser in Salzwasser.
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