Sonnabendsonate

(zum Freitagsflirt)

Wir haben die ganze Nacht gevögelt. Ich glaube, das habe ich das letzte Mal mit Anfang 20 gemacht. Dann haben wir scheußlichen To-go-Kaffee am Strand getrunken und fettige Croissants gegessen. Ich glaube, das habe ich noch nie gemacht. Er lacht viel und er bringt mich zum Lachen. Ich habe Schmetterlinge im Bauch. Aber das habe ich immer. Und dann fahre ich den Karren an die Wand.

Wir haben ausgiebig geknutscht. Die Möwen haben uns ausgelacht und die Wellen haben uns applaudiert. „Wir sehen uns“, hat er gesagt und ist zur Arbeit gegangen. Wir sehen uns. Ich weiß nicht, ob ich das will. Die Schmetterlinge zucken empört.

Die Sonne ist einmal um die Halbinsel herumgewandert. Die Flut ist auf- und wieder abgelaufen. Der Strand hat sich gefüllt und wieder geleert. Der Seewind zieht an meinem Haar. Die Schmetterlinge in meinem Bauch und das Flimmern in meinem Kopf tanzen einen seltsamen Tanz, dessen Choreografie ich nicht folgen kann. Mein Innenleben hat mich zum Zuschauer gemacht. Auf den ganz billigen Plätzen. Programmhefte sind ausverkauft. Die Wellen rauschen irgendwas Dramatisches von Tschaikowsky.

Die Sonne setzt zum furiosen Finale des Tages an und wer immer der Regisseur dieses Werks ist: Jemand sollte ihm den Schlüssel für die Kitschkiste wegnehmen. Selbst das sonst so aggressive Gekreisch der Möwen klingt auf einmal sanfter, fast wehmütig. Das Meer schleckt an der Feuerkugel, die ins Wasser schmilzt. Das warme Licht hat das Flimmern aus der Luft gewischt. Selbst in meinem Kopf kehrt eine fast friedliche Ruhe ein. Ungewohnt. Die Schmetterlinge in meinem Bauch triumphieren und sammeln sich zum Defilee. Der Kitsch kratzt an meinem Eispanzer. Ich bin geneigt, die Schmetterlinge gewähren zu lassen. Sie sind ja wirklich ganz possierlich anzusehen. Zumindest von hier hinten, den billigen Plätzen. Vielleicht sollte ich es einmal im Leben einfach genießen. Vielleicht wird einmal im Leben mehr draus als eine Erektion an meinem Arsch. Vielleicht habe ich eine Chance auf eine warme Umarmung. Vielleicht.

(zum Sonntagskind)


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4 Antworten auf „Sonnabendsonate

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