Meine Schwester ist der nervigste Mensch der Welt. Sie ist der Star in ihrer eigenen Show. Die Welt dreht sich um sie.
Der Alltag bewegt sich auf seiner eigenen Achse. Die Show gerät ins Stocken. Der Ameisenkrieg hält Einzug auf dem Bildschirm. Der Kleinkrieg hält Einzug in unserem Leben. Der Alltag dreht sich um den Kampf ums Badezimmer. Um den Kampf ums Telefon. Um den Kampf um die Wochenendgestaltung. Unsere Waffen sind Geschrei, Türenknallen und eisiges Schweigen. Leidenschaftliche Hassbekundungen. Böse Worte und keine Gefangenen.
Am Ende unterzeichne immer ich die Kapitulationserklärung. Bedingungslos. Die kurze Unterbrechung ist beendet, die Show geht weiter, der Alltag folgt der Welt. Und meine Schwester bestimmt das Programm. Ich bezahle die Rundfunkgebühr und habe kein Mitbestimmungsrecht. Ich folge ihr wie ein Jünger dem Guru.
Die Zeit rast. Sie stiehlt mir Sekunde um Sekunde, Minute um Minute meines Lebens. Und einmal, nur ein einziges Mal, will ich das Programm bestimmen. Und einmal, nur ein einziges Mal verweigere ich die Kapitulation. Ich kämpfe bis zum bitteren Ende. Und die Welt muss den Kurs wechseln. Sie schlingert geradewegs in die hereinbrechende Katastrophe.
Dieses eine Mal habe ich das Programm bestimmt. Ich habe den Weg vorgegeben. Die Zeit ist gerast. Sie stahl Sekunden, Minuten und Stunden. Und als die Katastrophe hereinbrach, stahl sie ein ganzes Leben. Das Leben meiner Schwester.
Die Welt hat ihren Mittelpunkt verloren. Der Alltag ist im freien Fall. Das Schlachtfeld ist verlassen. Verbrannte Erde. Und ich habe sie angezündet.
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