Das Streben nach Dings

Ich bin also offiziell nicht in der Lage, Glück zu empfinden. Der Neurologe hat’s bestätigt: Mein Gehirn kann einfach mit diesem Serotonin nichts anfangen.

Wie ein Eisbär aus dem Winterschlaf taumelt die Erkenntnis ans Licht: Die Abwesenheit von Unglück und Stress bedeutet nicht automatisch Glück. Was ich Glück nannte, war einfach das Gegenteil von Schmerz.

Endlich begreife ich, warum ich das Glücksempfinden anderer Menschen nie mit meinem eigenen in Einklang bringen konnte. Warum Dinge, die angeblich glücklich machen, mich ratlos zurücklassen. Schokolade essen. Feiern. Hobbys. Sport! (Völlig absurd!) Warum dieses Glück Menschen zu so viel Zeug inspiriert.

Und während ich dieses Glück betrachte wie ein exotisches Tier im Zoo, beginne ich über all die anderen, seltsamen, gemeinhin als positiv bekannten Emotionen nachzudenken, die mir immer schon komisch vorkamen.

Diese Liebe zum Beispiel. Dauernd werden Lieder gesungen und Bücher geschrieben und Filme gedreht. Und ich denk mir so: joar. Ich sehe den Mann an, den ich als meinen Freund vorzustellen pflege. Liebe ich ihn oder ist es nur praktisch, dass er mein Bett wärmt, Glühbirnen wechselt und Dinge aus dem obersten Regalfach holt? Und beantwortet sich die Frage nicht schon allein dadurch, dass ich sie mir stelle?

Immerhin kann ich eine Sache von meiner To-do-Liste streichen: das Streben nach Glück. Der Gedanke befriedigt mich. Es ist wie ein Befreiungsschlag von etwas, was ich sowieso nie verstanden habe. Als hätte man Mathe in der Schule abwählen dürfen. Und auf einmal fühle ich mich dem Glück so nah wie nie.


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